Sonntag, April 16, 2006

LA MORALITÉ NOUVELLE

LA MORALITÉ NOUVELLE: Monsieur Raphaël Tisserand, Schon die Novellierung des Kriegswaffenkontrollgesetzes im Jahr 2018 setzte der europäischen Rüstungsindustrie schwer zu. Mit dem vor Kurzen von den Vereinigten Staaten von Europa verabschiedeten Gesetz des Proliferationsverbots ist privaten Waffenhändlern in Europa praktisch die Geschäftsgrundlage entzogen worden. Wie gehen Sie mit dieser neuen Situation um?

TISSERAND: Die Branche war auf dieses Urteil natürlich mehrheitlich vorbereitet. Die Rechtsgutachten, die für diese Gesetzesvorlage erstellt wurden, zeigten uns schon damals die politische Richtung auf: Jeglicher privatwirtschaftlicher Waffenhandel ist nur noch unter der Voraussetzung zulässig, dass seitens der Händler nachhaltig kontrolliert werden kann, wohin die Waffen schlussendlich gelangen – ein Ding der Unmöglichkeit, von daher haben sie mit ihrer Beschreibung der Situation nicht ganz unrecht.

LA MORALITÉ NOUVELLE: Wie sehen die von Ihnen angesprochenen Vorbereitungen der Branche aus?

TISSERAND: Viele Firmen haben ihren Geschäftssitz in die Schweiz verlagert, um in Europa überhaupt noch mit Zulassung Agieren zu können. Die Firmen beispielsweise, die schon früher aus Steuergründen im Kanton Zug ansiedelten, sind jetzt im strategischen Vorteil, da das bilaterale Abkommen zwischen den USE und der Schweiz neue Gewerbeanmeldungen in dieser Branche verbietet. Die Verbliebenen werden sich auf den Nahen Osten und Asien verlagern müssen, ein erheblicher Teil wird dabei auf der Strecke bleiben. Darüber hinaus ist der Handel in Europa schon lange nicht mehr wirklich lukrativ.

LA MORALITÉ NOUVELLE: Ein zurzeit öffentlich diskutiertes Problem dabei ist, dass die Geschäfte, die bisher halbwegs staatlich kontrolliert aus den USE abliefen, in Zukunft in Regionen verlagert werden, in denen Ethik-Kommissionen und Reglementierungen unbekannte Begriffe sind. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Waffen, mit denen sie handeln, nicht über Umwege in den Händen von Kindersoldaten oder in diktatorischen Regimen landen?

TISSERAND: Ich kann das nicht sicherstellen. Aber andererseits sehe ich mich auch nicht dazu beauftragt, die Verfehlungen der internationalen Politik zu korrigieren oder als eine wie auch immer geartete moralische Instanz zu agieren. Der Großteil meiner Kunden sind Regierungen. Wenn BASF hochtoxische Substanzen in den Sudan liefert, wohl wissend, dass diese nach Gebrauch in die freie Natur gekippt werden, stört sich die USE auch nicht daran. Und von den verschleiert gehaltenen Waffenliegerungen der BRD in den Achtzigern will heute auch niemand mehr etwas wissen. Mehr als zwei Millionen G-2- Gewehre geistern noch heute in den dubiosesten Ecken der Welt herum: inzwischen offiziell bestätigt, geliefert von der Bundesrepublik Deutschland.

LA MORALITÉ NOUVELLE: Nach ihrem Wirtschaftswissenschaftlichen Studium arbeiteten sie lange Zeit in der Branche der Umwelttechnologie und vertrieben Wasseraufbereitungsanlagen. Was war der Auslöser für ihren Sinneswandel, von dieser sehr respektablen Branche in den Sektor der Rüstungsindustrie und dann in den privatwirtschaftlichen Waffenhandel zu wechseln? Hatten Sie damals keine moralischen Bedenken oder Skrupel?

TISSERAND: Hätten Sie mir mit 20 gesagt, was ich mit 40 tun würde, wäre ich wahrscheinlich vor Schreck erstarrt. Aber die Erfahrungen im Leben ändern sich, und die Überzeugungen divergieren daran.

LA MORALITÉ NOUVELLE: Das klingt fast so, als wären Sie in Ihrer Jugend ein der Moral verbundener Mensch gewesen. Welche Einflüsse in Ihrem Leben haben sie derart beeinflusst, als dass wir Sie heute in einer solch inhumanen Branche wieder finden?

TISSERAND: Ich war in meiner Jugend lange Jahre ein Verfechter des Humanismus, ein überzeugter Anhänger der Kant’schen Lehre und des a priori wohlwollenden Menschenbildes von Thomas Hobbes. Ich habe mit Begeisterung Ludwig Feuerbach gelesen und war der Ansicht, dass sich die Welt in meiner Zeit tatsächlich nachhaltig zum positiven wenden könnte, wenn die Welt denn nur genug Engagement zeigen würde. Ich lag offenbar komplett falsch.

LA MORALITÉ NOUVELLE: Die furchtbaren Anschläge am 21. April 2012 waren für Sie die Antithese, ihr Weltbild zu revidieren, um dann wirtschaftlich am globalen Mord und Totschlag zu partizipieren?

TISSERAND: Nein, Sie sehen das alles viel zu Intellektuell. Die Anschläge im April 2012 waren auch für mich ein neues Kapitel, aber sie haben mich nicht mehr wirklich überrascht. Ich spreche jetzt nicht von Politik. Der Mensch ist nicht annähernd ein so komplexes, vielschichtiges und weit blickendes Charaktere, wie Sie sich das in ihrer Situation vielleicht gerne vorstellen. Sie sind Redakteur der La Moralité Nouvelle, einer Links geprägten Wochenzeitung. Sie haben mich eingeladen, um an mir ein Klischee zu bestätigen, aber das liefere ich Ihnen nicht, das sehen sie schon.

LA MORALITÉ NOUVELLE: In unserem Vorgespräch machten Sie deutlich, dass Sie sich zu den Details Ihres Portfolios nicht öffentlich äußern wollen. Wir haben jedoch recherchieren können, dass Sie auch diverse Giftgase liefern, deren Handel noch vor der letzten Gesetzesnovelle gegen internationale Abkommen verstieß.

Wir möchten uns an dieser Stelle nicht in unpräziser Philosophie verlieren und wir haben Sie nicht eingeladen, um ein Klischee zu bestätigen, sondern um zu erfahren, wie ein aufgrund seiner Vita augenscheinlich humanistisch geprägter, lange Jahre dem europäischen Gedanken verbundener Bürger, sich eines Tages dazu entschließen kann, seine ganze Ethik über Bord zu werfen, um Giftgas zu verkaufen und Kriegswaffen an Terrorregime zu liefern.

TISSERAND: Ich habe es in meiner letzten Antwort schon erläutert. Es ist unspektakulärer als Sie denken und ohnehin unbedeutend. Um ihrem Feuilleton gerecht zu werden, ich hatte erkannt, dass Thomas Hobbes falsch lag und Jaques Rousseau die Welt erheblich realistischer beschrieb. Das war keine literarische Erkenntnis, sondern eine bittere Pille aus meinem eigenen Leben.

LA MORALITÉ NOUVELLE: Sie sagten vorhin, dass für Sie die Anschläge vom 21 April 2012 nicht mehr waren, als ein „neues Kapitel“. Was war die bittere Pille in Ihrem Leben, die sie schlucken mussten?

TISSERAND: Sie sind unglaublich hartnäckig mit ihren Fragen über mein Seelenleben, aber in Ihrer Position müssen Sie das offenbar sein. Wir wären nicht in Frankreich, wenn sich eine linksliberale Wochenzeitung von einem Kapitalisten, noch dazu einem offenbar gewalttätigen, mit Relevantem abspeisen lasse würde.

Wir sitzen hier in der Quai d’Orsay und Sie möchten von mir gerne hören, dass ich als Kind geschlagen oder misshandelt wurde, damit Sie ihren gutmenschlichen Lesern erklären können, wie es sein kann, dass ein im Grunde vernünftiger Mensch einen so abgrundtiefen Hass auf diese Gesellschaft, ja quasi auf die gesamte Menschheit entwickeln kann, denn ihrer Überzeugung nach sind das die einzig nachvollziehbaren Voraussetzungen, um in dieser Branche arbeiten zu können.

Sie erwarten von mir eine intellektuelle Absolution, die Sie in Ihrer These bestätigt und sie mit einem wohlwollend bestätigenden Kopfschütteln eines Psychoanalytikers heute Abend mit in ihr Appartement geleitet. Aber manchmal sind die Gründe viel weniger Komplex. Manchmal reicht es vollkommen aus, fünfundzwanzig Jahre in einer freien Gesellschaft zu leben, um zu erkennen, dass das, was die Menschen und die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit sagen, und das was sie tun, zwei völlig verschiedene Dinge sind.

Unsere Gesellschaft ist nicht weniger Gewalttätig, als sie es noch vor zweihundert Jahren war, nur im Unterschied, dass heute niemand mehr körperlichen Schaden an den Gewalttaten anderer nimmt. Man kann hier einen Menschen dreißig Jahre lange Scheiße fressen lassen, und wenn er sich dann beschwert, fragt man ihn allen Ernstes, was er denn hätte, ob die Crème Brulée denn nicht gut war. Die Verwechslung von Freiheit mit Neoliberalismus und die damit einhergehenden gesellschaftssozialen Prägungen in den letzten fünfzig Jahren würden Charles Darwin in Erstaunen versetzen.

LA MORALITÉ NOUVELLE: Sie sagen, sie haben einen abgrundtiefen Hass auf diese Gesellschaft. Sehen Sie sich heute in der Form einer Nemesis, um für das, was ihnen widerfahren ist, ausgleichende Gerechtigkeit herstellen zu können?

TISSERAND: Ich sagte nicht, dass ich hasserfüllt bin, ich sagte, dass Sie das von mir wahrscheinlich erwarten. Und ausgleichende Gerechtigkeit gibt es nicht, höchstens strafende oder vergeltende.

LA MORALITÉ NOUVELLE: Was meinten Sie mit ihrer Anspielung auf Charles Darwin? Wenn man das, was sie bisher gesagt haben, in den Zusammenhang bringt, kann der Eindruck entstehen, dass Sie die Menschen an ihrer eigenen Vergangenheit strafen wollen, in dem sie ihnen bewusst Mordinstrumente an die Hand geben.

TISSERAND: Ich bin nur die zweite Instanz. Ich war mein Leben lang immer nur die zweite Instanz. Ich war immer der, der mit Überzeugung die andere Wange hingehalten hat und sich dann allen Ernstes gefragt hat, warum er nie wirklich vorankam. Wenn sich diese Gesellschaften, diese Aggressoren in erster Instanz nun gegenseitig umbringen wollen, dann bin ich nur der Ausführungsgehilfe, und ich habe dabei keinerlei Bedenken oder moralischen Skrupel mehr. In diesem Land - und wer ehrlich ist und es ernsthaft versucht hat, der weiß, dass es so ist - der zieht mit seiner Ehrlichkeit, seiner Menschenfreundlichkeit und seinen lauteren Motiven permanent den Kürzeren. Das meinte ich mit Darwin.

Es wird heute boshafter selektiert, als es die Natur jemals vorgesehen hatte. Nicht der, der besser ist, überlebt, sondern der, der das größere Arschloch ist und die kleineren Skrupel besitzt. Das läuft sowohl im Großen so, als auch im Kleinen. Was glauben Sie denn, an wen ich meine Produkte verkaufe? Etwa an bibeltreue Moralisten, die durch harte Arbeit und ethisch korrekten Eifer sich zu Staatspräsidenten hochgearbeitet haben? In der Geschichte der Menschheit saßen schon immer die größten Barbaren und Mörder auf den höchsten Positionen. In der Menschheitshistorie gab es noch keinen einzigen wirklichen Moralisten an der Spitze einer Regierung, der keine Leichen im Keller hatte, aber hunderte von psychopathischen Despoten, deren verkommener Charakter und deren Ellenbogen ihr effektivstes Kapital darstellten.

Der ganze Mensch ist so, und seit zweitausend Jahren steht er dieser Tatsache hilflos gegenüber und er wird das auch noch weitere zweitausend Jahre hinnehmen, wenn er sich nicht vorher selbst vernichtet.

Ich gebe hiermit in meiner zweiten Lebenshälfte die Frustration über diese Tatsache zurück, ganz nach den Spielregeln, und verkaufe der Gesellschaft das zurück, was ich in meiner ersten Lebenshälfte jahrelange selbst fressen musste.

LA MORALITÉ NOUVELLE: Soll das die Hinterlassenschaft aus Ihrem Leben sein?

TISSERAND: Als Hinterlassenschaft möchte ich jedem dieser ganzen ideologisch Hoffnungslosen Fälle von verlorenen Gutmenschen mitteilen, dass sie auf Kant, Hobbes, Rotterdam und wie sie alle heißen, möglichst frühzeitig verzichten sollten. So viel destruktiver, herausgeschmissener und staatlich subventionierter Harmonieterror soll uns doch nur davon abhalten, die eigenen Augen aufzumachen, um die Spielregeln in diesem einzigen Sündenpfuhl zu erkennen. Denn dann könnten wir mitspielen, und genau das tue ich im Moment.

LA MORALITÉ NOUVELLE: Monsieur Tisserand, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Samstag, April 08, 2006

Offenbar habe ich mir die Eier abgeschnitten

Ich habe es endlich mal geschafft, frühmorgens aufzustehen. Um 08:30 Uhr fahre ich an die Uni. Ich muss endlich meine Immatrikulationsbescheinigung abholen. Falls die Verwaltung meinen Semesterbeitrag nämlich verhunzt haben sollte oder mich ansonsten nicht mehr besonders mögen sollte, würde es aufgrund der ablaufenden Einspruchsfrist sehr schwer werden, hier juristische etwas zu unternehmen.
Aber wir wollen ja nicht gleich das G2 in den Whiskey schmeißen. Ich tauche also (Frisch rasiert, ein Novum - mein Bart behinderte mich langsam beim gehen) in der Verwaltung auf. Ich öffne die schwere Türe des ungefähr 2000 Jahre alten Gebäudes und renne wie immer völlig apathisch und mit einem Blick zum Töten durch die Eingangshalle. In der Eingangshalle steht ein Mädchen, wunderschön, schöner als alles was ich bisher gesehen habe, und wartet auf irgendetwas. Ich bin augenblicklich paralysiert. Ich sehe ihr in die Augen, sie sieht mir in die Augen. Unsere Blicke verlieren sich eine gefühlte Ewigkeit ineinander. Hormone, Puls, Neurotransmitter, alles in meinem Kopf wacht gemeinsam schlagartig aus dem jahrelangen Schlaf auf und befindet sich augenblicklich in einem intelektuellen Zustand zwischen geistiger Onanie und fesselnder Begeisterung, auf dass sich hier die Chance aufgetan hat, dass dieses Siechtum hier ein Ende nehmen könnte.

Schöne Geschichte, gel? Hach, jetzt hatter sich verliebt, der kleine. Ischer ned nett. Hach!

Ich tue natürlich genau das, was man nicht einmal mehr mit ICD-10 ausreichend erklären könnte und laufe an ihr vorbei und gehe ein Stockwerk höher zum Prüfungsamt. Absolut vernünftig. Meine Immatrikulationsbescheinigung ist ja auch eine dermaßen geile Wichsvorlage, dass die Rettung meines Lebens dahinter anstehen muss. Ich komme also oben an und bemerke, dass das Prüfungsamt nch geschlossen hat und ich noch 15 Minuten warten muss.

Aber anstatt meiner fortlaufenden persönlichen Armutserklärung hier ein Ende zu setzen und zu Verstand zu kommen, schaue ich mir ganz ernsthaft die ausliegenden Bröschüren der Unicum durch. Hach, scheisse, noch fünfzehn Minuten, was MACH ICH DA BLOSS JETZT?

Ich laufe im Kreis und denke mir, wie symphatisch und nett das Mädchen im Erdgeschoss doch ausgesehen hat. Hach ja. Wahrscheinlich habe ich mir in Volltrunkenheit schon längst meine Eier mit einem Eierköpfer abgetrennt. Anders kann ich mir das alles nicht mehr erklären.

In dem Moment, als unten die Tür mit lautem Krachen zufällt, wird mir klar, dass mein IQ-Test bei der Bundeswehr eine Lüge gewesen sein muss. Ich stürze hinunter, aber sie ist nicht mehr da. Es hat mich in diesem Moment dann doch nicht mehr gewundert, dass sie kein Zelt aufgeschlagen hatte und sich nicht auf einem Gaskocher eine Dose Gemüse-Ravioli gemacht hat.

Ich habe sie seitdem nicht mehr wieder gesehen.

Nun muss ich in den nächsten Monaten wohl alle Vorlesungen aller Studiengänge abklappern müssen. Das bedeutet, jeden Morgen um Sieben Uhr aufzustehen, um eine halbe Stunde vor Vorlesungsbeginn die Hörsaaleingänge beobachten zu können. Und dann um 09:30, dann um 11:15 und so weiter.

Ich habe mir jetzt unbegrenztes Pornoverbot gesetzt, zumindest solange, bis ich das Mädchen wieder gefunden habe. Das sollte die Sache erheblich beschleunigen.

Kurz notiert

Freitag, 07 April, Verwaltungsgericht Hölle-Saale.

Es wird eine Feststellungsfortsetzungsklage einer Clubinhaberin gegen den Staat verhandelt. Auf einer privaten Nazifete in einem Skin-Club wurden Getränke verkauft. Unkostenbeitrag nannte es der Kläger. Verstoß gegen die Gaststättengewerbsverordnung (oder so ähnlich) der Beklagte.
Der Richter fragte: Ist es bei einem Verstoß gegen das Gaststättengewerbe (Anm. Auf einer prvaten Fete darf man kein Essen oder Getränke verkaufen, unabhngig vom Betrag, da die Veranstaltung ansonsten einen gewerblichen Charakter annehmen würde, was dann viiiele zu beachtende Verordnungen und Formulare nach sich ziehen würde.) denn nicht üblich, dass man hier einen verhältnismäßigen, normalen, Weg geht, also zuerst ein Schreiben schickt, bei Missachtung dann noch eins und dann eventuell eine Abmahnung oder ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eröffnet?
Beklagter: "Äh"
Richter: "Und warum haben Sie den Club dann mit einer Hundertschaft gestümt? Hat man solch ein brachiales Durchsetzen einer Verwaltungsverordnung als Bürger neuerdings zu erwarten, wenn man gegen irgend eine Verordnung verstößt?"
Beklagter: "Da waren aber Kassen"
Richter: Auf dem Video sind die nicht zu sehen.
Beklagter: Die waren aber höchstwahrscheinlich da.

Richter: Ich will Ihnen jetzt mal eine Brücke bauen...

Der Verfassungsschutz braucht dringend rechtliche Nachhilfe. Wahrscheinlich saß er auch deswegen links hinter mir in der Ecke.

In dieser Sache gebe ich mal ein generelles *lol* von mir und vergebe folgende Noten:

Motivation/Engagement: 1
Umsetzung: 5

Mittwoch, April 05, 2006

So net.

Dipl. Med. Blahbla
FÄ für Allgemeinmedizin
Markt 28
01234 Washington (D.C)


Sehr geehrte Frau Blah,


Am 29.03.06 erhielt ich von Ihnen eine Abrechnung über 9,65 Euro.

Ich widerspreche dieser Forderung Insgesamt, da ich weder die Ihrer Rechnung zugrunde liegenden Leistung, noch irgendeine andere Leistung von Ihnen erhalten habe.

Zur Begründung:

Am 09.02.06 suchte ich Ihre Praxis auf, um von Ihnen eine eintägige Krankschreibung zu erhalten. Sie teilten mir in dieser Sache mit, dass dies nicht möglich sei, worauf ich Ihre Praxis wieder verlassen musste. Für diese Auskunft benötigten Sie ca. 15 Sekunden. Eine Anamnese oder Untersuchung Ihrerseits fand nicht statt.

Da ich von Ihnen weder eine Untersuchung noch eine medizinische Beartung erhalten habe, sondern nur die Auskunft, dass ich bei Ihnen falsch sei, betrachte ich diese Angelegenheit mit diesem Schreiben als Erledigt.

Mit freundlichen Grüßen

Tisserand



Ja, es geht ums Prinzip. Von Ärztinnen, die so fett sind, dass man sie mit dem Kran in's Behandlungszimmer hiefen muss, lasse ich mich nicht mit dem 2,3-fachen Kassensatz über den Tisch ziehen. Als Privatpatient bin ich es ja inzwischen gewohnt, mir vor jeder Krankschreibung den Blutdruck messen zu lassen und mein Herz abgehört zu bekommen, da ich offiziell 2,3 mal so viel wert bin wie ein Kassenpatient, aber für eine Nulleistung, für eine Nullnummer auch noch bezahlen zu müssen, das geht gegen meine Prinzipien. Da springe ich doch gerne für meine Versicherung in die Bresche.

Mittwoch, März 22, 2006

Psychiatrie heute: In dem Moment, als mir der Professor den Rücken zudrehte, flüchtete ich durch den Notausgang

Es gibt eine Menge Dinge, die mögen für die meisten Menschen wirr oder unverständlich erscheinen. Viele Dinge davon sind tatsächlich wirr und unverständlich, aber ein großer Teil dieser wirren Sachen sind in Wahrheit nur halb so kompliziert oder undurchschaubar, wie es auf den zweiten Blick erscheint.
Profundes volkswirtschaftliches oder juristisches Wissen haben freilich die wenigsten, aber woran liegt es, dass kaum jemand den Argumentationsmustern eines Juristen oder eines Volkswirtes folgen kann? Liegt es vielleicht daran, dass die Wahrheit in diesen Disziplinen a priori komplex ist? Oder liegt es vielleicht darin begründet, dass die Wahrheit unter Zuhilfenahme von verständlichen Formulierungen oder Vereinfachungen nur noch halb so wahr wäre?


Die Überwindung der eigenen Dummheit

Die Antwort lautet kurz und Bündig: Bullshit Bingo. Wenn wir unsere gottgegebene Dummheit überwinden und uns in einer Disziplin vom Dummbatz zum Erleuchteten erheben, ist das eine gute Sache. Nun können wir von der Welt und die Welt von unserem Wissen profitieren. Gehen wir weiter und erheben uns auf der Leiter einen weiteren Schritt, migrieren wir vom Wissenden zum Könner, welcher in seinem nächsten Leben sicherlich viel konsultiert werden wird und in der Lage sein wird, auf so ziemlich jede Frage seines Fachbereichs eine Antwort bieten zu können. Hier stehen einem alle Tore offen, man kann sich seinen den Job aussuchen der einem zusagt und mit der monetären Gegenleistung für sein Wissen wird man sich die geilste Schnitte aller Zeiten angeln können, sich einen Mercedes kaufen können, nach Abu Dhabi in den Urlaub fliegen können usw.
Viele Menschen machen jedoch noch vor diesem Lebensabschnitt einen kapitalen Fehler: Sie entschließen sich, jeglichen Sinn ihrer Existenz zu vernichten um einen weiteren unnötigen Schritt zu gehen um ein Arschloch zu werden. Nicht im soziologischen Sinne, sondern im fachlichen.
Das Arschloch im zukünftigen Sinne ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich in der Phase des Könnens dazu entschließt, absoluter Spezialist seiner Disziplin zu werden - viele zukünftige Arschlocher behelfen sich zur Erreichung der vollendeten Arschlochigkeit einer Habilitation in ihrem Fachbereich, welcher schon lange vor dieser Entscheidung alleiniger und ausschließlicher Bestandteil ihres Lebens geworden ist. Nach der Habilitation ist der kennzeichnendste Unterschied zwischen dem ehemaligen Könner und dem neuen, absoluten Spezialisten, dass dem absoluten Spezialisten auf mysteriöse Weise die Fähigkeit abhanden gekommen ist, auf einfache Fragen ebenso einfache Antworten geben zu können.
In der Neurologie wird mit Nachdruck erforscht, welche Hirnareale eines Arschloches ausgebrannt sein müssen, so dass als Konsequenz daraus eine Kommunikation zwischen ihm, bzw. jegliche von ihm getätigten Äußerungen mit dem Rest der Welt (welche aufgrund der Hürden, Arschloch werden zu können, in der Mehrzahl nach wie vor aus Nicht-Arschlöchern besteht) unmöglich erscheint, bzw. nicht mehr korrelieren und/oder vom Rest der Welt nicht mehr verstanden werden kann.


Arschlochhandlungen vs. Nicht-Arschlochhandlungen

Ich möchte ihnen ein kleines Beispiel geben, damit sie den Unterschied zwischen einer Arschlochhandlung und einer Nicht-Arschlochhandlung nachvollziehen können, um damit die Denkweise des dahinter stehenden Menschen ganzheitlich erfassen zu können. An dem Beispiel eines mir bekannten Volkswirtschaft-Professors wird dies anhand eines Beispieles sehr deutlich.

Die echte(R) Frage, die der in der Phase der Arschlochigkeit gefangene Mensch an normale Menschen ursprünglich stellen möchte, würde folgendermaßen lauten:

„Was passiert, wenn der Staat sich entschließen würde, weniger Geld auszugeben?“

Das Arschloch jedoch sieht sich außerstande, eine verständliche Formulierung dieser Problematik zu verfassen, sondern wird in wirren, unverständlichen Satzfetzen, garniert mit einschüchternden, komplizierten, aber sinnfreien volkswirtschaftlichen Worthülsen und hinterlistigen Anspielungen auf Formeln und Modelle anfragen.

Lässt man sich dadurch nicht einschüchtern, kann man diese Frage natürlich sofort beantworten, vorausgesetzt, man hat sich ein kleines Bisschen mit VWL beschäftigt. Die Antwort ist einfach.

(Sie können diese Erklärung geflissentlich überlesen, falls sie die Antwort auf die o.g. Frage nicht interessiert)

Aufgrund dessen, dass der Staat weniger Geld ausgibt, sinkt die Güternachfrage (Der Staat selbst ist nämlich für einen gewaltigen Anteil der Güternachfrage verantwortlich), dadurch sinkt die volkswirtschaftliche Produktion, und das resultiert dahin, dass weniger Geld im Umlauf ist. Es wird mehr gespart, was bedeutet, dass die Nachfrage nach Geld kleiner wird und dadurch sinken die Zinsen. Die Börsenjuppies und die Kapitalisten finden das überhaupt nicht toll (Wohin mit der Kohle?) und schleppen ihre Knete in ein anderes Land. Das Kapital flieht. (LOL) Der Euro verliert im Gegensatz zum Dollar, der von den Juppies besonders nachgefragt wird, noch mehr an Wert und der Wechselkurs steigt. Da es für die Amis nun billiger wird, bei uns BMW's zu kaufen, werden die das auch tun, und schwupps - schon steigt die Nachfrage nach Gütern wieder. Was kann man damit erreichen? Man kann mit diesem Theater zum Beispiel Auslandsschulden abbauen.

Gut, "zwei Pfund Ochsenfleisch ergibt eine gute Suppe" leuchtet einem schneller ein. Aber wenn man den obigen Sachverhalt zwei, drei mal gedanklich durchgegangen ist, weiß man, was los ist. Und überhaupt, die Kapitalisten machen den ganzen Sermon ja erst kompliziert; wären wir hier unter uns, könnte man die Antwort in einem Satz zusammenfassen: Nachdem wir alles versoffen haben, wird Geld leihen für uns billiger, Online-Pornos in den USA konsumieren dagegen wird teurer. (Schwere Entscheidung: Essen oder Onanieren)

Hier aber, kurz, logisch und verständlich zu antworten, wäre ein Fehler. Dies wäre ein unverschämter Affront gegen den Menschen, der für das Stellen solcher Fragen schon vor Jahrzehnten sein komplettes Sozialleben, jegliche Sexualität, seinen verbliebenen Sinn für Humor, seine Menschenkenntnis uvm. komplett aufgegeben hatte. Da sich der Fachidiot nicht davor scheut, Wochen- bis Monate lange unter Bergen von Akten zu sitzen um ganze Packungen von Rotstiften dabei aufzubrauchen, wird er gesteigerten Wert darauf legen, dass man alleine aus Respekt vor seiner Genialität sich in unbeholfener Weise (sie sind ja kein Arsch, also nicht auf seiner Stufe) versucht, sich auf sein Niveau zu begeben.
Dass ihnen das nicht gelingen wird, ist dem Arschloch schon zu Beginn bewusst, genau das ist seine Intention, genau darauf ist sein persönlicher Narzissmus angelegt. Es geht grundsätzlich nicht darum, ob sie es können, sondern, wie wenig schlecht sie das zu schaffen in der Lage sind.

Aus reiner Selbstgeilheit wird unser Herr uns Meister in der ersten Vorlesung nach der Prüfung ihnen beiläufig eine Musterlösung auf die oben formulierte und beantwortete Frage unter den Xenon-Projektor legen. Diese, zugegeben, recht wortkarge Antwort sieht dann in diesem Fall folgendermaßen aus.

Trivialer Lösungsvorschlag


Die kommenden Wochen nach der Klausur werden für ihn die besten Ansammlungen an Tag-Nacht-Zyklen in den nächsten Monaten werden.
Er wird sich darüber ergötzen, dass wir aufgrund der Tatsache, dass wir unsere Zeit auch mit anderen Dingen totschlagen mussten (Er ist ja nicht der einzige Psycho auf unserer Wiese, genannt Campus) und wir es in unserer Freizeit gewagt hatten, uns mit völlig belanglosen weltlichen Dingen wie Kant, Nietzsche oder Rousseau zu beschäftigen, und es damit nicht geschafft hatten, ihn, unseren Herren und Meister wortwörtlich zu zitieren.


Widerstand ist zwecklos

Wenn Sie die Hirnwindungen dieses Herren nicht erst seit gestern versuchen zu studieren und oben erwähnte Art zu Fragen in Ihnen den totalen Kollaps auslöst, sind sie in einer tatsächlich schwierigen Situation. Kommt ihnen dieser Gedanke jedoch, während sie zwischen zweihundert zitternden jungen Menschen in einer Klausur bibbern, sitzen sie ziemlich in der Klemme.
Es sind zehn Minuten vergangen und Sie wissen, dass sie wieder versagen werden. Vorher werden Sie eher die Weltformel finden, bevor sie auf den vor ihnen liegenden Bullshit eine respektable, komplizierte und wissenschaftliche Antwort finden werden.
Beim ersten Versuch ist man natürlich mit Trompeten und Posaunen durchgefallen und hat sich nun mit einem zwei Meter langem Spickzettel, bzw. komplett beschriebenen Ober-, Unter- Ärmen- und Schenkeln ausstaffiert. Und nun befinden Sie sich in einem Raum, praktisch alle ihre Extremitäten sind durch Tinte geschwärzt, und trotzdem können Sie die Lösung weder auf ihrem linken Unterarm, noch auf ihrer rechten Wade finden. Es wird eng. Wenn Sie den zweiten Versuch verhunzen, werden Sie einen dritten schriftlich beantragen müssen. Und dann wird eine Prüfungskommission sich ihre Leistungsbilanz anschauen werden, was zur Folge haben wird, dass unangenehme Ladungen zum Dekan notwendig werden, in denen man dann glaubhaft darlegen muss, wie man es gedenkt, sein Studium überhaupt noch erfolgreich zu Ende zu bringen, angedenk der desaströsen Situation, in die man sich manövriert hat.
Möglicherweise wird einem dieser dritte Versuch sogar verweigert, in Anbetracht der Tatsache, dass man sich in diesem Drecksloch inzwischen schon vier Semester befindet, aber praktisch noch nichts getan hat, oder sich zumindest bisher nicht dazu genötigt oder in der Lage fühlte, etwas zu tun.
Urzeitliche Instinkte werden in einem wach. Man will fliehen aus dieser Prüfungssituation. Warum nur, hat man sich nicht wie immer zur Klausur krank gemeldet? Welcher Teufel hat einen geritten, zu glauben, hier mehr als "Hänschen Klein, geht allein, in die Weite Welt hinein..." hinschreiben zu können? "Wie komme ich hier heraus", wird noch vor den Fragen auf der Klausur zur zentralen Problemstellung.

Die herumgehende Anwesenheitsliste erreicht einen. Die Hände werden feucht. Jetzt muss schnell gedacht werden. OK, denken war noch nie meine Stärke, also muss gehandelt werden. Scheiße, das war auch noch nie meine Stärke, ich muss irgendetwas machen. Die Anwesenheitsliste erreicht mich. Mit meiner Unterschrift auf dieser Liste würde ich die ultimative Büchse der Pandora öffnen. Ich nehme die Liste an und setze einen beschäftigten Blick auf und lasse den Zettel erstmal liegen. Fünf Minuten lange beobachte ich die Situation.
Der Professor geht alle fünf Minuten im Kreis um uns herum, um Spickzettel zu finden. Die zweite Aufsichtsperson ist ein ekelhafter HiWi, der sich bei jeder Gelegenheit anbiedert. Wahrscheinlich leckt der auch in seiner Freizeit die Waffeln anderer. Schwerer Raucher ist er auch, das Ekelpaket, ich kenne ihn noch aus Repetitorien, in denen er nichts zustande gebracht hat, außer sich genüsslich über uns zu erheben.
Nicht weit links hinter mir befindet sich der Notausgang. Ich höre auf, mich um die Klausur zu kümmern und scanne nur noch mein Umfeld. Im Gegensatz zu meinem Verstand sind meine rudimentären Urtriebe in Hochform. Da ich nur sehr selten in den Vorlesungen des Professors war, kennt der Hund mein Gesicht nicht. Damit muss sich etwas anfangen lassen. Andererseits weiß ich auch, dass der HiWi irgendwann eine rauchen gehen muss. Zwei Stunden lange nur herumsitzen und Nichtstun, das hält ein starker Raucher nicht aus. Ich tue so, als ob ich auf der Anwesenheitsliste unterschreiben würde, tue es aber nicht und gebe sie weiter.
Danach warte ich und tue nichts, außer die Situation zu beobachten. Der HiWi verlässt den Hörsaal. Prämisse eins ist in meinem Plan erfüllt.
Jetzt muss nur noch der Professor seinen Rundgang machen. Er beginnt seinen Rundgang und kommt mit auf linker Seite entgegen. Ich kritzele Nonsensgraphen auf meine Blätter um nicht aufzufallen. Nach dem er mich passiert hat, beginne ich schnell alle meine Sachen zu packen. Ich lege mir meine Jacke um den Arm, habe meine Tasche an der Hand, meine Klausur in der anderen. In dem Moment, als der Professor hinter mir um die Ecke biegt, und mir seinen Rücken zudreht, muss ich losschlagen. Ich werde ca. 10 Sekunden Zeit haben, um unerkannt fliehen zu können. Ich drehe mich um und sehe den Rücken des Professors. Ich schlage los. Ich dämpfe noch meinen hochschnallenden Stuhl in der Reihe und sehe nichts mehr, als den Notausgang. Als ich oben angekommen bin, öffne ich schnell und leise und schließe schnell und sanft.
Ich versuche auf der verdammt wackeligen Feuertreppe keinen Lärm zu machen. Während ich das Stahlrundell heruntergehe, erwarte ich in jedem Moment, dass mir mein Professor hinterher springt und alles aus ist.
Die Tür bleibt geschlossen. Ich komme unten an und gehe das ganze Ding noch mal gedanklich durch. Ich habe nicht auf der Anwesenheitsliste unterschrieben. Ich habe meine Klausur nicht abgegeben. Der Professor kennt mein Gesicht nicht. Wenn ich mich umgehend krankschreiben lasse, wird er mich unter den anderen Krankschreibungen nicht mehr identifizieren können.

Ich habe es geschafft. Ich weiß nicht, wie ich es das nächste Mal schaffen will, aber eins ist sicher: Nächstes mal muss ich mir meinen Bart abrasieren, damit er mich nicht wieder erkennt. Aber das ist das kleinere Übel. Nein, das ist kein Übel, das ist eine Erlösung im Ausgleich dafür, dass die Pandorabüchse ein weiteres mal geschlossen bleibt.

Sonntag, März 12, 2006

Bedeutende Menschen #1: The Man who prevented an atomic war

Sagen Ihnen die Namen Nelson Mandela, Alexander Fleming, oder Albert Einstein etwas?

Erster wurde bekannt durch den afrikanischen Widerstandskampf gegen die Apartheid, welcher die Befreiung der Mehrheit der Südafrikanischen Schawarzen aus der Sklaverei zur Folge hatte. Bis zur Durchsetzung seiner Ziele musste der spätere Nobelpreisträger mehr als 26 Jahre dafür im Gefängnis sitzen.

Alexander Fleming (Nein, nicht mein übelgelaunter und total schlechter Außenwirtschaftsproffessor) entdeckte 1928 in einem Schmimmelpilz das Penicillin, welches uns noch bis heute von tödlichen bakteriellen Infektionen das Leben zu retten vermag.

Albert Einstein, fast so bekannt wie McDonnalds, ermöglichte druch seine allgemeine und spezielle Relativitätstheorie erst die Quantenphysik und selbst ganz banale Dinge wie den Elektronen-Teilchenbeschleuniger (Vulgo: Fernseher), bzw. die Satelitennavigation und schlussendlich, die Atombombe. Die Umwandlung von weniger als einem Gramm Masse in Energie ließ in Hiroshima im Umkreis von mehr als zwei Kilometern noch Hauswände bersten.

All diese Menschen haben für die Menschheit wichtige Dienste geleistet und haben mitunter Millionen von Leben gerettet. Kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit Einsteins Bombe, wiviele Menschen wären heutzutage tot, ohne die bildgebenden Verfahren in der Medzin wie die Computertomographie, die Magnetresonanztomographie und unzählige viele Dinge weiter.

Und hier möchte ich überleiten zu einem Menschen, den praktisch niemand kennt.

Kennen Sie etwa Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow?

Oberstleutnant Stanislaw Petrow war am 26. September 1983 diensthabender Offizier im Serpuchov-15 Bunker ungefähr 50 Kilometer nordöstlich von Moskau. Seine Aufgabe bestand in der computer- und satellitengestützten Überwachung des Luftraumes. Im Falle eines nuklearen gegnerischen Angriffes auf die UdSSR sah die Strategie einen mit allen Mitteln geführten, sofortigen nuklearen Gegenschlag vor.

Kurz nach Mitternacht des 26. September 1983 meldete der Computer eine auf die Sowjetunion anfliegende amerikanische Atomrakete. Petrow schlussfolgerte die Unwahrscheinlichkeit eines solchen Angriffes, da es militärisch sinnlos wäre, den Feind mit einer einzigen Rakete zu attackieren in dem Bewusstsein, dass der Gegenschlag die totale eigene Auslöschung bedeuten würde. Zusätzlich war die Verlässlichkeit des Satellitensystemes in letzter Zeit mehrfach in Frage gestellt worden. Petrow legte den Vorfall als falschen Alarm ab.

Kurze Zeit später vermeldete das Computersystem eine zweite, dritte, vierte und fünfte abgefeuerte Rakete. Petrow glaubte weiterhin an einen Fehlalarm, er hatte jedoch keinerlei andere Quellen, um seine Vermutung zu überprüfen. Die Reichweite des landgestützten sowjetischen Radars war dermaßen kurz, dass es zum Entdeckungszeitpunkt bereits zu spät gewesen wäre.

Unter erheblichem Druck stehend, blieb Petrow aber bei der Entscheidung, die Informationen, die zu einem Gegenangriff geführt hätten, nicht weiter zu leiten. Er setzte weiterhin auf einen Computerfehler, wohl bewusst, dass wenn er sich irrte, bald mehrere Nuklearraketen über seinem Heimatland niedergehen würden. Da das Satellitensystem nur fünf abgefeuerte Raketen meldete, ging er von einem Fehlalarm aus. Ein wirklicher Angriff hätte seiner Ansicht nach mit deutlich mehr Waffen stattfinden müssen.

Kurz danach an diesem Morgen stellte sich heraus, dass Petrows Einschätzungen richtig waren - das satellitengestützte sowjetische Frühwarnsystem hatte Sonnenreflektionen auf Wolken in der Nähe der Malmstrom Air Force Base in Montana, wo auch amerikanische Interkontinentalraketen stationiert waren, als Raketenstarts interpretiert.

Indem sich Petrow weigerte, die automatischen Warnungen weiterzugeben, handelte Petrow, obwohl er damit einen nuklearen Krieg verhinderte, entgegen seiner Vorschriften. Entsprechend wurde er von seinen Vorgesetzten zu mehreren Verhören herangezogen und galt fortan als unzuverlässiger Offizier.

Er wurde für seine Taten weder bestraft noch belohnt. Sie deckten die Unvollkommenheit des sowjetischen Militärsystems auf und rückten seine Vorgesetzten in ein schlechtes Licht. Von offizieller Seite bekam er einen Verweis für falsche Archivierung von Schriftangelegenheiten und seine einst vielversprechende Karriere fand ein jähes Ende. Er wurde auf einen weniger heiklen Posten versetzt und letztlich aus dem aktiven Militärdienst entlassen.

Petrow lebt seitdem in ärmlichen Verhältnissen als Pensionär in Frjasino. Obwohl er sich selbst nicht als Held bezeichnen würde, erhielt er am 21. Mai 2004 den mit eintausend US-Dollar dotierten »World Citizen Award« der kalifornischen Association of World Citizens. Am 19. Januar 2006 erhielt er die Auszeichnung Man Who Averted Nuclear War von der UNO.

"Few People konw him... yet conceivably hundreds of millions of people are alive because of him. Sanislaw Pertrov, a retired Soviet militaty officer, is credited with preventing the start of World War III and the nuclear devastation of much of the earth."

Ich bin fest davon überzeugt, dass sich die Menschheit eines Tages selbst vernichten wird, in nicht all zu ferner Zeit, sobald sie die Möglichkeit und die Mittel dazu haben wird. Wenn sich erst die Gelegenheit der Entzündung der Erdathmosphäre gefunden haben sollte, dann wird sich auch früher oder später irgendjemand finden, der auf diesen einen ultimativen roten Knopf drücken wird.

Menschen wie Stanislaw Petrow machen mir jedoch Hoffnung, dass wir unser Schicksal noch ein paar Jahrzehnte bis Jahrhunderte hinauszögern können.

"die schöne Lüge vom Good Will,
das hübsche Spiel vom Overkill,
und wann macht ihr die Waffen scharf,
wenn ich das auch mal fragen darf?
Das wird verdammt nochmal so sein,
und wer soll uns das je verzeih'n?
Ich bitt' euch, fragt solang' ihr seid,
Ihr seid die Zeit!"

sagte schon Udo Jürgens in "Tausend Jahre sind ein Tag"

Samstag, März 11, 2006

Du bist Hitler

Nach Du bist Deutschland... Ich bin Hitler! Oh mein Gott, was für Parallelen!

Albert Speer in seinen "Erinnerungen": Nach dieser Autobiografie des ehemaligen NS-Wirtschaftsministers hatte Hitler in den Dreißiger Jahren äußerst instabile Arbeitsgewohnheiten. Er ging normalerweise erst um fünf oder sechs Uhr morgens ins Bett, schlief dann bis um Mittag, verbrachte viel Zeit mit Mahlzeiten und Teestündchen und verbrachte die übrige Zeit mit dem Anschauen von Filmen und langen, langweiligen Monologen im Beisein seiner Minister. Er schien unfähig, einer normalen, routinierten Büroarbeit nachzugehen. Deshalb wunderte sich Speer darüber, wann Hitler überhaupt Zeit fand, irgendetwas Wichtiges zu unternehmen, und stellt in Frage, dass er sich wie ein Diktator verhielt.

Donnerstag, März 09, 2006

Pissoirs ausschlecken hat mehr Wert

Es ist Sieben Uhr Fünfzehn mitten in der Nacht. Es ist Wochen, nein, Monate - ach was, Jahre!! - her, als ich mich das letzte mal freiwillig zu so unwirtlicher Zeit aus dem Bett quälte. Vier Stunden Schlaf habe ich zusammenkratzen können. Aber ich konnte "Akte Mord", bzw. "Autopsie" bzw. "Seinfeld" in der Nacht zuvor einfach nicht verpassen.
Der Wecker läutet, und schon bereue ich meine Entscheidung, aber ich habe einem Kommilitonen zugesagt, heute nach Berlin zu fahren. Der Alkohol hatte mein Verantwortungsbewusstsein offenbar insoweit vernebelt, als dass ich es nicht zumindest einmal hätte schaffen könnte, vor der Post-Geisterstunde ins Bett zu gehen. Es ist Drei Uhr und zwei Promille, als ich das Licht ausmache. Das wird morgen eine aufregende Fahrt.

Ich schäle mich aus dem Bett und schon kotzt es mich an. Darüber hianaus spüre ich einen kalten mentholartigen Hauch des Restalkohols auf meinen Lippen. Gestern kam das Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes an, dass meine Alkoholvergehen getilgt sind und sich in der Überliegefrist befinden. Ich bin wieder unter den zivilisierten angekommen. Egal, ich fühle mich nüchtern. So nüchtern wie seit jahren nicht mehr. Ich begebe mich an mein Auto. Die Fahrertüre ist eingefroren. Alleine das wäre während der Uni-Zeit ein vollkommen ausreichender Grund, mich sofort wieder in Richtung Bett zu begeben. Aber heute steige ich durch die Beifahrertüre ein. Ich hole meinen Studienkollegen, einen "Zivilisierten Nationalen Demokraten" ab. Es wird für ihn eine wichtige Verhandlung werden. Als NPD-Kader wird dieser Prozess für seine politische Basisarbeit richtungsweisend werden. Mir ist inzwischen mein Bett wichtiger geworden, als irgendwelche hochtrabenden Prozesse; auf was habe ich mich nur eingelassen. Wie gut, dass mir das zu diesem Zeitpunkt noch nicht im geringsten klar war - ich hätte umgehend auf den nächsten Baum zugesteuert; in der Hoffnung, mein Schlafdefizit durch außerplanmäßigen Aufenthalt in der Intensivstation auf unter drei Stunden zu verringern.
Zwei Stunden Fahrt habe ich angesetzt. Was natürlich völliger Bullshit war. Den halben Morgen stehen wir in Berlin im Stau, bzw. befinden uns vor dem Berliner Verwaltungsgericht auf der Parkplatzsuche, in einem Radius von ungefähr 25 Kilometern. Mein Gott, in vierter Reihe wird hier inzwischen geparkt!
"Du, las mich doch vorgehen".
"Geht's noch? Wenn ich hier die Verhandlung wegen dieser verschissenen Parkplatzscheiße verpasse, tust du das auch."
"Parken wir dort"
"Bezahlst du mir dann die 350 € für's Abeschleppen?"

Fünf Minuten vor Verhandlunsgbeginn haben wir einen Parkpatz auf einem Erdhaufen vor einer Baustelle gefunden. Niemand wollte da parken. Ich schaffe es, mein Auto in einem 60 Grad Neigungswinkel auf dem Erdhaufen zu platzieren. Es wird gerannt. Nach fünfzig Metern kommt zäher Auswurf beiderseits. Wir sind Mitte Zwanzig und offenbar totale Wracks.

Angekommen in den Katakomben des Verwaltungsgerichtes suchen wir den Plenarsaal. Ich muss vorher noch pissen, sonst platze ich. Der Plenarsaal ist gefunden. Ich bekomme ein handschriftlich beschriebenes Karteikärtchen, das unangenehme Erinnerungen an meinen Französisch-Unterricht in mir auslöst. Wir setzen uns. Da ich noch nie einer Gerichtsverhandlung beigewohnt habe und auf amerikanische Filme konditioniert bin, bin ich in angespannter Erwartungshaltung, zu jedem denkbaren Moment "Jawoll, Euer Ehren" schreien zu können.

Ein NPD-Bundesfuzzi schüttelt mir die Hand. Keine Ahnung, was das soll. Er hat wohl meinen Studienkollegen erkannt und mich mit ihm in Zusammenhang gebracht. Ich fühle mich peinlich berührt, und schaue beschämt um mich. Keiner hat's gemerkt.

Die Verhandlung beginnt. Es ist Elf Uhr.
Fünf (!) Richter in schwarzen Roben treten ein. Der links vom Oberrichter sitzende Richter sieht aus, als käme er gerade aus der Sauna. Ein Mann mit einem Gesicht, wie ein Quadrat. Wir erheben uns. Ich beginne in erschreckendem Automatismus das Vater Unser, während sich alle Anderen schon wieder setzen. Ich setzte mich auch und freue mich über die gepolsterten Stühle. Berlin ist zwar vollkommen Pleite, aber wenigstens gepolsterte Stühle haben sie.

Der quadratgesichtige Richter beginnt mit einer Einführung in die Anträge und allgemeinen Blablas. Ich bereue alles. Was mache ich hier???
Ein paar offensichtliche Pfeiffen kommen zu spät. Ich schüttle den Kopf und mache Zischgeräusche, so dass jeder meine Empörung sieht und hört.

Es geht um eine Demonstration der Jungen Nationaldemokraten am 08. Mai in Berlin. 3.000 Nazis hatten eine Demonstration angemeldet und genehmigt bekommen. Nachdem 6.000 Gegendemonstranten der Antifa aufgetaucht sind, bekam die Polizei, welche mit 8.000 Mann anwesend war, kalte Füße, zäunte die Nazis auf Erbsengröße ein und brach darauf hin die Demonstration der JN ab. Eigentlich eine gute Sache. Wer mag denn schon Nazis? Nur - für einen Rechtsstaat, in dem die Versammlungsfreiheit, bzw. das Demonstrationsrecht im Grundgesetz als Abwehrrecht gegenüber dem Staat verankert ist, doch etwas bedenklich.

Es erfolgt stundelanges Blabla. Mein Arsch beginnt mir weh zu tun. Die Stühle haben wohl doch keine Qualität. Der Polizeiführer der damaligen Stunde erklärt alles mit der Begründung, dass "aufgrund der Gefahrenlage" ein "Durchboxen" der Demonstration "nicht verhälltnismäßig gewesen wäre." Ich finde es toll, was er sagt. Nur verstehe ich nicht, wie 8.000 Polizisten mit 9.000 Demonstranten, davon ein nicht erheblicher Teil friedlich, nicht zurecht kommen könne.

Der Polizeiführer redet sich fadenscheinig raus, der NPD-Anwalt blöd rein. Nazis glaubt man nicht. Dass diese Erkenntnis auch vor Gericht Allgemeingültigkeit hat, habe ich heute erfahren dürfen. Dass die Polizei immer die Wahrheit sagt - ich habe es befürchtet - ist wohl ähnliches Allgemeingut. Wahtever.
Diese beiden verdammten alten Nazirentnerinnen rechts hinter mir beginnnen mich zu nerven. Seit dem "Erheben Sie sich" merken die zwei mit schweizer Präzision alle drei Minuten an, dass das Mikrophon zu leise sei, und man "hinten" nichts verstehen könne. Es stimmt. Hinten ist es tatsächlich schwierig, etwas zu verstehen. Es wäre allerdings erheblich einfacher, etwas zu verstehen, wenn die beiden alten Schabracken ihr Maul halten könnten und nicht alle drei Minuten ihr verkorkstes Gehör verfluchen würden.

Der erste Prozess ist beendet. Kein Urteil wurde verkündet. Hey - was soll der Scheiß? Ein Gerichtsverfahren ohne Urteil ist wie Kacken ohne Klopapier. Ich bin sauer. Hoffentlich kommt das heute noch während meiner Anwesenheit in diesem scheiß Berlin.

Der Zweite Prozess beginnt. Die alten Schabracken sind immernoch da und beschweren sich lautstark über den Ton. Die Richter entschuldigen sich, dass sie keine Beamer haben (???). Wenigstens geht die miese Akkustik im Gerichtssaal in beide Richtungen.

Direkt links hinter tauschen sich nun die beiden alten Damen gegen zwei ungefähr 90 jährige Nazis aus, die jeden zweiten Satz des Oberrichters lautstark mit "Genau so isses", oder "Totaler Unsinn" kommentieren. Die Richter bleiben kühl. Der Saalaufseher wird sauer und mahnt "die hintere Reihe" zur Ruhe. Ich schäme mich für mir völlig fremde Personen.

Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt hält eine herzzerreißende Rede. "Fast hätte ich geweint, aber nur fast ;)"
Der Oberrichter hällt sich für genötigt, einen einstündigen Monolog über seine persönliche Meinung zu "überhaupt allem" zu verlautbaren. In diesem Moment muss es den NPD-Schergen klar geworden sein, dass sie vollkommen verschissen haben. Total. Dieser Richter wird gegen sie entscheiden. Pissoirs ausschlecken hätte mehr Wert, als hier zu argumentieren. Und wenn er dafür alle vier anderen Richter mit dem Lötkolben rektal bearbeiten müsste.

Die hinterste Reihe wird ungehalten. In wohl dosierter Lautstärke fallen Zwischenrufe wie "Der Spacko", "Spinnt der" und ähnliches. Gemeint ist immer der sprechende Richter. Ich hätte mich das in Anbetracht drohender Ordnunghaft nicht getraut. Nicht unter den widrigsten Umständen. Vorher hätte ich angefangen zu heulen und mich auf dem Boden zu wälzen, bevor ich mich soetwas getraut hätte.

Die zweite Verhandlung ist beendet.

Eine Stunde bis Urteilsverkündung.

Mein zivilisierter Nationaler Sozialist will mit den anwesenden NPD-Funktionären einen Kaffe trinken gehen. Ich lehne dankend ab. Ich muss aus diesem stinkenden, muffigen Gerichtsgebäude raus. Als Alternative bietet mir mein Studienkollege eine Berliner Stadtrundführung mit einer anwesenden Anti-Antifa-Lady an. Da ich mich alleine in Berlin innerhalb von fünf Sekunden verlaufen würde, nehme ich an. Außerdem sieht die Anti-Antifa-Lady ganz gut aus. Ich bin mit meinem Gesicht gedanklich schon zwischen ihren Beinen. Nein – sofort weg mit dem Gedanken – mein zivilisierter NSDAP-Kollege steckte mir noch kurz nach der Verhandlung, dass sie das Nationale Extrem schlechthin darstellen würde und ich auf etwas gefasst sein solle. Ihr Zimmer sähe aus wie in American-History-X. Ich bin verhalten begeistert.

Ich versuche, einen möglichst anständig rechtsradikalen ersten Eindruck zu erwecken, schließlich möchte ich mich nicht verlaufen. Mehr als streng konservativ bekomme ich leider nicht hin. However. Das Mädel macht einen netten, blumigen Eindruck. Wir fahren mit der S-Bahn in Richtung eines bekannten Berliner Platzes, dessen Name ich schon wieder vergessen habe. Auf der Fahrt unterhalte ich mich nett mit ihr. Ich frage mich, was ihr nur zugestoßen sein muss, dass sie so geworden ist. Sie erzählt mir von Mord, Totschlag und den Zecken (Die Linken). Während der kurzen Besichtigungstour erzählt sie mir allerhand Dinge, die nicht meine Welt sind. Mein Gott, sie ist im Grunde so ein aufrichtiges, nettes Mädchen, zumindest scheint das durch ihre verbohrte Ideologie hindurch zu scheinen. Ich bekomme Mitleid. Sie erzählt mir, dass sie aufgrund ihrer politischen Aktivitäten in der zwölften Klase von der Schule geflogen sei und nie wieder die Möglichkeit auf eine Abi hätte. Sie hatte Physik als LK. Ich bin begeistert und schockiert. Es scheint ihr egal zu sein. Während wir mit der S-Bahn zurück fahren, klebt sie Sticker auf die Fenster der S-Bahn. Nationale Sticker. Schwer national. Ich bin wieder am Boden.

Urteilsverkündung. Die Anträge beider Prozesse werden abgeschmettert. Ich freue mich. Kurz darauf kommt die Ernüchterung. Was soll denn der Scheiß bitte? Die Tatsache, dass genügend gewaltbereite Gegendemonstranten vorhanden sind, rechtfertigt es, eine angemeldete Demo zu annulieren? Was soll denn das bedeuten? Dass sich in Zukunft jede gewaltbereite Gruppe von politischen Gegnern einer Demonstration nur genügend wie die Axt im Walde benehmen müssen, auf dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und Demonstrationsrecht von unten heraus ausgehöhlt werden kann? Schöne Zeiten für die Demonstrationskultur stehen an. Wir sehen uns in der nächsten Instanz. Wenn das Bestand haben sollte, werden die Rechten den Spieß umdrehen und jede gegnerische Demo entsprechend aufzumischen androhen, auf dass sie vorsorglich abgebrochen wird. Und dann legt sich alles über Kreuz auf Eis. Interessant. So schnell kann man ein Grundrecht aushebeln.

Es ist 16:45. Der Saal wird geräumt. Ich warte vor der Tür auf Udo Voigt, den Bundsvorsitzenden der NPD, um genüsslich hinter ihm hinterherzulaufen. Das soll ihn ruhig schmerzen. Hätte sich ja auch eine vernünftige Ideologie ausdenken können und nicht diesen „Ausländer raus“-Scheiß.

Ich, Lady-in-Red und mein zivilisierter Nationaldemokrat setzen sich in mein Auto. Ich habe mich breit schlagen lassen, noch bei der Anti-Antifa-Lady vorbei zu fahren. Vorher machen wir noch Sight-Seeing. Wir schauen beim Holocaust-Denkmal vorbei. Was für eine bescheuerte Idee, mit zwei Rechtsradikalen zum so einem Denkmal zu gehen. Aber ich habe es noch nie gesehen. Zwischen den Steelen wird ein Vortrag durch Gelächter unterbrochen. Ich schäme mich und tue so, als sei ich ein verrirter Franzose. An anderer Stelle pisst jemand gegen die Stelen. Ich frage mich, was das für ein Land ist, in dem ich lebe.

Wir gehen in das Museum unter dem Denkmal. Bei der doppelten Röntgendurchleuchtung am Eingang entdecken die Sicherheitskräfte einen Schlagstock bei Lady-in-Red. Ich versinke im Boden und tue so, als gehöre ich nicht zu ihnen. Nachdem wir das Museum verlassen haben, machen wir noch etwas Sigth-Seeing. Ich lasse mich vor dem Turm, dessen Name mir im Moment schon wieder entfallen ist, mich aber jedes Mal an die Love-Parade erinnert, fotografieren und auch vor dem Brandenburger Tor. Regierungs-Acht-Zylinder mit aufgesetzem Blaulicht auf dem Dach rasen wir gesenkte Säue durch die Straßen. Die Temperatur beträgt gefühlte -210 Grad. Wir fahren zur Lady. Die ganze Fahr über spricht sie mit meinem Studienkollegen in konspirativen Abkürzungen. "Da, Links!" sagt sie und ich ordne mich links ein. "Nein, alles von Linken besetzt hier meine ich!" Ich fahre gerade aus weiter. Als ich ihre Wohnung betrete, begrüß mich eine 2x1 Meter große Hakenkreuzfahne. Ich habe schlimmeres erwartet. Auf dem Fernseher steht ein kleines Konterfei von Adolf Hitler. Uns wird Essen angeboten. Ich bin dankbar und habe Hunger wie Sau. Wir verschlingen ungefähr 200 Toastbrote. Nch dem Essen fragt die Landy uns, ob wir noch einen Nachtisch möchten oder sonst irgendetwas bräuchten. Wie nett sie doch ist, wenn sie nicht von ihrem Kampf erzählt. Nachdem unsere Füße vom ungeheizten Parkett eingefroren sind, verabschieden wir uns dankend. Da ich auch das Angebot, mich zu besaufen und bei der Lady zu übernachten mit entschiedenen Blicken an meinen zivilisierten Kommilitonen schon vorher zurückwies, bleibt mir eine Nacht unter dem überdimensionalen Hakenkreuz und dem auf dem Fernseher prangenden Adolf erspart.

Nachdem wir uns auf der Suche nach der Autobahn wieder eine weitere Stunde durch Berlin geirrt sind, befinden wir uns wieder in Richtung Magdeburg. Wir sprechen über Frauen, Beziehungen, Job. Im Radio läuft "Jerry blossom Girl" von Air. Was dich nicht umbringt, macht dich hart. Inzwischen habe ich den Verstand völlig verloren.